Marokko, Nordafrika - da wollten wir hin. Meine Jungs als Ersttäter und ich mit verklärten Erinnerungen. Warum eigentlich? Wegen der unendlichen Möglichkeiten! Auf kurze Distanz am sonnenverwöhnten Strand bei sommerlichen Temperaturen die Seele baumeln lassen - möglich. In den engen Gassen der jahrhundertealten Medinas orientalisches Flair einatmen - möglich. Auf einem Kamel durch die Wüste reiten - möglich. Strand, Kultur und Abenteuer.

Reisebericht Marokko 2016


Tag 00

Bereits am Abreise-Vortag checken wir zuhause mühelos für unseren Flug nach Casab­lanca, Marokko ein, bestätigen unsere nebeneinander liegenden, reservierten Sitzplätze und drucken die Bordkarten aus. Gern entlasten wir die, glaubt man den Pressemitteilungen, stetig unterbezahlten Mitarbeiter der Fluggesellschaft, welche dies nun nicht mehr übernehmen müssen. Die Anfrage, ob wir auf einen anderen Flug ausweichen möchten, da unserer überbucht ist, lehnen wir, in der Hoffnung, dass diese Anfrage kein weiteres Mal an uns gerichtet wird, ab.


Tag 01 Anreise

Unser Zug zum Flug ist pünktlich, bei Abfahrt und Ankunft. Für das Bordprogramm sorgt der Nachwuchs. Zunächst stapft er mit Papa im Schlepp Richtung Bordbistro. Er will seine Kinderfahrkarte gegen eine Überraschung eintauschen und hofft auf den kleinen Nick Nachtzug mit der Schlafmütze. Der ist zu seinem großen Bedauern nicht verfügbar. Begleitet von IDA IC, einem drolligen Plastevehikelchen mit roter Schleife, und Papa kehrt er zurück. Bei Kaffee und Kuchen, Papa machte auch Beute im Bordbistro, genießen wir die Fahrt … bis Junior ein Stück Zahn präsentiert, losgelöst vom Rest. Mit versteinerten Gesichtszügen inspiziere ich panisch den Mundinnenraum und lasse mich zu dem im Verdacht stehenden Übeltäter navigieren. Erstes Aufatmen, ein Milchzahn. Aber auch der kann Ärger machen und eine Behandlung in Marokko ..., nein den Gedanken verfolgen wir nicht weiter. Handy gezückt, Zahnarzt gegoogelt. Treffer - am Fraport. Es klingelt. Der Zahnarzt höchst selbst meldet sich, die Praxis sei noch bis halb sieben besetzt. Es ist zehn vor. Das schaffen wir ... nicht. Vielleicht ins Klinikum, meint der Arzt. Nun hole ich etwas weiter aus. Er fragt gezielt nach und beruhigt mich. Milchzähne zerbröseln eben mal, ohne Komplikationen. Ob ich ihm ein Bild per WhatsApp schicken mag, fragt er. Der Gute. Aber ein Foto des Mundinnenraums, fokussiert auf einen Backenzahn - gar nicht so einfach. Das Beste wird gekürt und versandt. Rückruf - alles in Ordnung. Kein Grund zur Panik, für alle Fälle könnten wir am Flughafen ein paar Schmerztabletten kaufen. Ich bedanke mich überschwänglich und wir setzen die Fahrt beruhigt, ohne weitere Zwischenfälle fort. Nach einiger Ablenkung sind auch Juniors Schmerzen verflogen. 

Unser Erlebnis Flughafen beginnt vorm bis auf weiteres unerreichbaren Family Check-in Be­reich. Der dank Personenleitsystem deutlich abgegurte Zugang ist durch eine anscheinend auf weitere Familienmitglieder wartende marokkanische Großfamilie nebst Koffertrolleys verstellt. Diese wollte den Weg auch nicht freigeben. Dem Aufruf der bereits ungeduldigen Check-in Mitarbeiter folgend, waren wir gezwungen den geordneten Abläufen zu entsagen und abseits der aufgezeigten Wege zum Ziel zu finden. Endlich am Check-in Schalter angelangt, verfluchte der dortige Schaltermitarbeiter zunächst die das System lahmlegende Großfamilie, welche auf seine Zurufe jedoch nicht einmal in seine Richtung blickt. Barsch, nein nicht unfreundlich, nahm er unsere Koffer entgegen – den Rest hatten wir ja bereits selbst erledigt. Ich frage nach den angeblich speziell für Kinder konzipierten Spielecken am Flughafen. Die lägen nicht auf den Weg, im Übrigen müssten wir uns zügig zur Sicherheitskontrolle begeben, dort herrsche großer Andrang, die Abfertigungszeit wäre entsprechend. Den letzten Flug hätten Passagiere nicht erreicht, da sie dort festhingen. Nein das wollen wir nicht, versteht auch Junior. Wir ersetzen Spielecke durch Sicherheitsbereich, mit den innovativen Ganzkörperscannern gleichermaßen faszinierend. Bis sich das vermeintliche Risiko als benutztes Taschentuch zu erkennen gibt – Faszination erloschen. Die Wartezeit, wenn man von einer solchen überhaupt sprechen kann, war jedoch lediglich unserer verbliebenen, noch zu beseitigenden Flüssigkeitsreserve zu verdanken. Trinkflasche vor der Kontrolle lehren, danach auffüllen. Ja, hier denkt man an unsere Gesundheit!

Das geordnete Warten des durchschnittlichen Mitteleuropäers auf den Aufruf zum Abflug wurde lautstark gestört durch das geschäftige Treiben abflugwilliger Nordafrikaner. Diese wa­ren bestrebt, dem bereits überbuchten Flugzeug weitere Sitzplätze abzuringen. Stetiges Nachfragen und diskutieren, wildes Gestikulieren bei Verständigungsschwierigkeiten, schien nach deren Auffassung zweckdienlich. Die Abflugschalter waren ausgestattet mit stoischen Mitarbeitern, an welchen die Hektik abzuperlen schien.

Auch der sich jeglichen Versuch von Koordination widersetzende Menschenstrom beim Boarding-Aufruf für Familien mit kleinen Kindern brachte die Mitarbeiter nicht aus der Ruhe. Uns schon, da der Strom unseren kleinen Mann zu verschlucken drohte. Ein aufmerksamer Mitarbeiter griff rettend ein. So stockte für uns das Boarding erst wieder im Flieger. Hier ließ ein augenscheinlich die falschen (Bei-)Sitze beanspruchender Herr, den durch Bordkarte ausgewiesenen Berechtigten nicht seinen Platz einnehmen. Er solle sich einen anderen suchen. Dass das Flugzeug überbucht war, hatte ich schon erwähnt. Oder? Nach klärender Ansprache des nicht mehr ganz so ruhigen Bordpersonals konnten wir vorbei und unsere Plätze einnehmen.


Tag 07 Erfoud - Hassilabied / Erg Chebbi

Heute haben wir es nicht eilig. Das Tagesziel liegt gerade einmal eine Autostunde entfernt. So bleibt, Dank kostenlosem Late-Check-out, ausreichend Zeit, um unter Palmen in der einer Oase nachempfundenen Poollandschaft des Kasbah Hotel Xaluca zu entspannen. Es ist angenehm ruhig. Neben einer kleinen Familie aus Indien, die man gelegentlich plätschern hört, sind wir die einzigen Gäste. So lassen sich die steigenden Temperaturen aushalten.

Erst gegen Mittag beladen wir das Auto und reisen Richtung Wüste weiter. Natürlich nicht, ohne vorher in Erfoud noch einen Tankstop einzulegen.

Wir halten uns südlich. Durchqueren unwirtlich steinige Weiten, hier tatsächlich stellenweise noch unberührt  - abgesehen von einigen wenigen Straßen (Warum ich das erwähne? Weil in ganz Marokko unberührte Landschaften überraschender Weise sehr selten sind. Irgendein Graben, begleitet durch Aushubhügel oder ein einsames Tor, manchmal schon mit angeschlossener Grenzmauer, oder eine mit Fußwegen und Straßenbeleuchtung gesäumte Straße stört immer das Bild). Um dann den ersehnten Wegweiser vor uns zu sehen.

In der gewiesenen Richtung zeichnet sich am Horizont verheißungsvoll das Erg Chebbi ab, dessen bis zu 150m hohe Dünen sich auf 22 Kilometern in Nord-Süd-Richtung und bis zu fünf Kilometern in Ost-West-Richtung erstrecken. Ein großer Sandkasten zum Austoben, aber nichts überstürzen. Es sind mittlerweile über 45°C und die Sonne steht im Zenit.

Daher nehmen wir am Fuss des Erg Chebbi Quartier im Riad Madu und besetzen eine im traditionellen Stil der Region gehaltene, klimatisierte Suite, deren widerspenstige Tür sich allerdings erst mit einiger Überzeugungskraft öffnen lässt. Der aufkommende Hunger treibt uns auf die einladende Pool-Terrasse, wo wir einen leichten marokkanischen Salat, den Blick in die Wüste und das kühlende Nass genießen.

Gegen fünf hosen wir uns an und das Abenteuer Wüste holt uns direkt vor der Haustür ab. Drei Quads - aufgesattelt und bereit. Eine kurze Einweisung und los geht´s. Ganz vorn unser Wüsten-Guide, gefolgt von meinen tatendurstigen Jungs, Junior darf zu seinem Bedauern noch nicht selbst fahren. Mit zunehmendem Abstand hinke ich, bald nachdem wir die ersten sanften Dünen erreicht haben, hinterher. So darf ich nun an zweiter Stelle fahren und bremse die Jungs aus, zumindest meinen sie das. Junior beschwert sich lautstark darüber. Mit der Zeit bekomme ich den Bogen halbwegs raus, nur mit dem links halten, wenn die Düne rechts rum will, kämpfe ich noch. So geht es tiefer hinein in die Wüste. Die Dünen werden höher, die Kämme beängstigender. Beim ersten Stop lassen wir den Blick schweifen und entdecken ... nur Sand ... weit und breit … phantastisch. Wundervoll geschwungene Sandberge, deren Farbe sich mit jeder Minute ändert, reihen sich endlos aneinander. Während wir die Aussicht genießen und unsere gut angewärmten Wasservorräte schmälern, wetzt Junior, wie ein ferngesteuerter Adrenalinjunkie, durch die Dünen. Ich schwanke beim zusehen zwischen herzhaften Lachen und Panik. Warum? Weil sich meine, bis hierher ausgeblendete Höhenangst meldet. Die windabgewandte Leeseite der Düne fällt steil in die Tiefe ab. In meinen Augen quasi senkrecht. Und genau da, tobt natürlich auch der Nachwuchs rum. Übel … für mich.

Und es wurde noch schlimmer - für mich. Je weiter wir fuhren, um so höher wurden die Dünen. Was unseren erfahrenen Guide nicht davon abhielt, die besagten, steileren Leeseiten hinunter zu heizen. Trotz das ich mir ständig sagte: "wenn er sich nicht überschlägt, werden meine Jungs bzw. ich das auch nicht", nahm ich sein Angebot, bei ihm mitzufahren, gerne an. Und mein Quad? Das ließ ich auf der gefühlt höchsten Düne des Erg Chebbi stehen. Echt jetzt? JA! Meine Jungs jubelten - das Problem mit "der Handbremse" gelöst, endlich richtig Stoff geben. Auf dem Heimweg. Mit der Sonne sanken endlich die Temperaturen. Meine Kamera, welche zwischenzeitlich hitzebedingt den Dienst verweigert hatte, gab wieder Lebenszeichen von sich. Doch das Licht reichte nicht mehr aus, um Junior, welcher in der Ebene das Steuer übernehmen durfte, abzulichten.

Tag 08 Hassilabied / Merzouga

Heute tauschen wir die 4 Räder gegen 4 Beine und auch der Nachwuchs darf selbst ans Steuer.